OpenStreetMap

Letzter Bericht aus dem Advisory-Board

Posted by imagico on 18 January 2021 in German (Deutsch). Last updated on 19 January 2021.

Der FOSSGIS wird voraussichtlich im März seine Mitgliederversammlung veranstalten - dieses Jahr natürlich virtuell - was ich ungeachtet der oft durchaus netten Atmosphäre, die auf FOSSGIS-Versammlungen traditionell herrscht, für eine gute Entwicklung halte, da sie deutlich mehr Leuten, insbesondere auch aus der OSM-Community, die Chance gibt, daran teilzunehmen.

Für die Mitgliederversammlung möchte ich hiermit, diesmal aus Gründen, die ich erläutern werde, schon deutlich im voraus, meinen traditionellen Bericht als Vertreter des FOSSGIS im Advisory-Board der OSMF geben.

Dieser Bericht fällt dieses Jahr sehr knapp aus, denn wie schon im letzten Jahr erwähnt, ist das Advisory-Board der OSMF als Ganzes so gut wie tot. Der Vorstand konnte sich bis jetzt nicht dazu aufraffen, das Gremium tatsächlich offiziell zu schließen, aber seit der OSMF-Vorstand mit den Firmenvertretern im Advisory-Board regelmäßig nicht öffentliche Gespräche führt, hat im Advisory-Board als Ganzem nichts mehr von Substanz stattgefunden.

Was im letzten Jahr neu eingeführt wurde, sind die 10-Minuten-Präsentationen der lokalen OSM-Communities in den öffentlichen OSMF-Vorstands-Sitzungen. Wir waren da im August dran, Interessierte aus dem Verein waren vorher zu einem Mumble-Meeting eingeladen, um zu diskutieren, was wir da präsentieren wollen. Die Präsentation hat Hanna aus dem FOSSGIS-Vorstand gehalten. Neben dieser regulären, dauerhaften Rolle der lokalen Vertretungen, welche zunächst im Grunde die einzige Rolle war, die aus dem Advisory-Board erwachsen ist (die Unternehmens-Vertreter bekamen ein monatliches Privat-Meeting, die lokalen Vertretungen einen 10-Minuten-Präsentations-Slot in einem öffentlichen Meeting) gab es dann im Oktober noch ziemlich ad hoc eine Einladung zu einem Live-Meeting der Vertreter der local chapters mit einigen Mitgliedern des Vorstands. Es gibt von diesem Treffen noch kein Protokoll, anwesend waren von den lokalen Vertretungen neben mir so weit ich mich erinnere Rob von OSM UK, Dermot von OSM Ireland und Edoardo von OSM Oceania. Es wurden einige Themen angeschnitten, aber auch aufgrund der Tatsache, dass nur wenige Vertreter der lokalen Vertretungen anwesend waren und da kein klares Mandat existierte, welche Funktion diese Art von Treffen haben soll, gab es keine Ergebnisse von Substanz oder einen detaillierteren, vorbereiteten Austausch von Ideen, wie es für ein Berater-Gremium wünschenswert wäre. Ob das zu einer regelmäßigen Veranstaltung werden soll, ist noch nicht klar. Daneben gibt es jetzt in der OSMF auch eine wieder neu geschaffene Arbeitsgruppe LCCWG, wo einige Vertreter von lokalen Vertretungen sich engagieren, deren Funktion in der OSMF aber auch recht unklar ist und wo anders als im Advisory-Board nicht alle lokalen Vertretungen gleichberechtigt eine Stimme haben, die kulturell und sprachlich viel homogener ist und und deren Aktivitäten bis jetzt auch recht spezielle Interessen vertreten.

Insgesamt kann man die Situation der lokalen Vertretungen in der OSMF derzeit also als recht fluide und undefiniert betrachten. Das birgt Potential, Entwicklungen anzustoßen aber keine Verlässlichkeit was Rollen und Einfluss-Möglichkeiten betrifft. Vor diesem Hintergrund hatten wir im letzten Jahr schon ein paar Ansätze gemacht, von Seite des FOSSGIS außerhalb des Advisory-Board Stellungnahmen zu aktuellen Themen in der OSMF abzugeben. Dazu haben wir einige OSMF-Stammtische auf Mumble abgehalten. Als tatsächliche Stellungnahme des FOSSGIS wurde am Ende nur etwas zu bezahlten Kräften in der OSMF veröffentlicht (auch auf Englisch), aber auch die Diskussionen zu anderen Themen waren nützlich. Ich war an diesen Diskussionen beteiligt, aber nicht federführend - Hanna und Michael (Nakaner) haben hier auch erheblich zu beigetragen. Der Unterschied ist natürlich, dass sowas immer nur das Resultat einer Diskussion in der deutschen OSM-Community unter sich ist, während die Idee des Advisory-Board es ursprünglich war, durch einen Austausch zwischen den verschiedenen lokalen Vertretungen Ratschläge und Ideen zu entwickeln, die darüber hinaus gehen, was aus den einzelnen lokalen Communities für sich genommen entwickelt werden kann.

Auf der Mitgliederversammlung des FOSSGIS steht auch die Wahl der Vertretung des FOSSGIS im Advisory-Board an. Und auch wenn das Gremium wie erläutert als Ganzes weitgehend tot ist, fungiert diese Vertretung für den OSMF-Vorstand doch als Ansprechpartner und sollte deshalb vom FOSSGIS und der deutschen OSM-Community produktiv genutzt werden.

Ich verrichte diese Aufgabe jetzt seit drei Jahren und habe schon letztes Jahr angekündigt, dass ich es gut fände, wenn da jemand anderes übernehmen würde und frischen Wind in die Rolle einbringt. Das möchte ich jetzt forcieren und kündige deshalb an, dass ich für die Rolle bei der Wahl im März nicht mehr antreten möchte.

Vor diesem Hintergrund möchte ich noch einen kritischen Gesamt-Rückblick auf die letzten drei Jahre anschließen. Bin ich mit dem, was ich während dieser Zeit erreichen konnte, zufrieden? Sicherlich nicht in jeder Hinsicht. Was mich im Rückblick am meisten ärgert ist, dass ich es nicht geschafft habe, mit anderen lokalen Vertretungen ein Gegengewicht zur englischsprachigen Dominanz in der OSMF zu organisieren. Dies hat sicherlich viel mit der Sprach-Barriere zu tun. Dem FOSSGIS käme hier als dem mit großem Abstand größtem nicht englischsprachigem local chapter eine zentrale Rolle zu, dennoch wäre es für eine solche Initiative essentiell, sich mit anderen nicht englischsprachigen lokalen Vertretungen zu koordinieren, hier insbesondere natürlich die französische, was durch entsprechende Sprachkenntnisse deutlich einfacher wäre.

Ich habe allerdings auch den Eindruck, dass im FOSSGIS der Wille und die Bereitschaft, eine solche Rolle als Gegengewicht gegen die englischsprachige Dominanz in der OSMF einzunehmen, recht begrenzt sind und viele mit der Situation wie sie ist eigentlich recht zufrieden sind und wenig Bedarf nach substantiellen Änderungen sehen. Meine Wahrnehmung, dass aus der Größe und Bedeutung der deutschen OSM-Community hier eine moralische Verpflichtung resultiert, sich für mehr sprachliche und kulturelle Vielfalt und Repräsentation in der OSMF generell einzusetzen, ist eher ein persönlicher Spleen von mir als eine im FOSSGIS verbreitete Überzeugung. Und natürlich sprechen viele im FOSSGIS Englisch besser als jede andere Fremdsprache und die meisten fühlen sich auch der britischen und amerikanischen Kultur näher als den meisten anderen einschließlich der europäischen Kulturen.

Positiv verbuchen möchte ich vor allem, dass es mir während der drei Jahre recht erfolgreich gelungen ist, zu vermeiden, dass das Advisory-Board zu einer Lobbying-Plattform für Unternehmens-Interessen verkommt. Die Bedeutung dieses Einflusses der Repräsentanten der lokalen Communities ist denke ich vielen erst in Nachhinein klar geworden, als, nachdem der OSMF-Vorstand begonnen hat, sich separat mit den Unternehmensvertretern zu treffen, diese sofort begonnen haben, diese Treffen rücksichtslos zum Lobbying und für Einschüchterungs-Versuche gegenüber dem Vorstand zu nutzen. Dass der wichtigste Verdienst aus meiner Zeit im Advisory-Board es also möglicherweise ist, etwas verhindert zu haben, anstatt positiv etwas erreicht zu haben, ist natürlich etwas bedenklich. Überspitzt-kritisch zusammengefasst könnte man auch sagen, dass das Advisory-Board ein vierjähriger Stand-off zwischen den kurzfristigen Profitinteressen größtenteils amerikanischer Unternehmen und den Wertvorstellungen größtenteils europäischer Craft-Mapper-Communities war. Ob das ja jetzt definitiv eingetretene Ende dieses Patts langfristig zu positiven oder negativen Entwicklungen führt, wird sich erst noch herausstellen.

Was sollte ein Kandidat/eine Kandidatin für diese Rolle an Qualifikation mit sich bringen? Neben Verständnis für und Erfahrungen mit der deutschen OSM-Community und Erfahrungen mit der OSMF halte ich möglichst breite Sprachkenntnisse für recht bedeutend. Ich glaube, dass meine eigene Wirksamkeit, im Advisory-Board positiv etwas zu bewirken, vor allem auch dadurch begrenzt war, dass der Austausch und die Koordination mit den anderen lokalen Vertretungen nur auf Deutsch oder auf Englisch möglich war. Wer hier zusätzliche sprachliche Fähigkeiten vorweisen kann, wäre enorm im Vorteil. Daneben sind denke ich vor allem ein gutes Urteilsvermögen und eine Unabhängigkeit von wirtschaftlichen Partikularinteressen im OSM-Umfeld sowie eine Fähigkeit, sich in der englischsprachigen Kommunikation mit Muttersprachlern artikulieren und behaupten zu können, von Nutzen.

Was ich auf jeden Fall anregen möchte, ist, dass diese Funktion des FOSSGIS nicht nebenbei von einem Mitglied des FOSSGIS-Vorstands übernommen wird, sondern eine separate Rolle bleibt.

Wer sich für die Aufgabe interessiert, aber nicht sicher ist, ob das zu ihr oder ihm passt, kann mich gerne nach meiner Meinung oder zusätzlichen Informationen fragen.


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