OpenStreetMap

Versuche mit motorisiertem Adressmapping in Dessau

Posted by Nakaner on 23 February 2013 in German (Deutsch). Last updated on 18 March 2013.

Die Erfassung von Hausnummern ist eine zeitintensive Arbeit, für die oft mehrere Möglichkeiten gibt. Die einen zeichnen zuerst von Bing alle Gebäude ab und schreiben dann vor Ort die Hausnummern auf Walking Papers oder Field Papers, andere setzen mit einem GPS-Gerät einen Wegpunkt vor jedes Haus auf die Straße und notieren Wegpunktnummer, Hausnummer und Straßenseite (rechts oder links). Wieder andere nutzen für das Adressmapping die Android App Keypad-Mapper 3

Ich selbst habe in der Vergangenheit Walking Papers und dem GPS-basierten Verfahren gearbeitet, bin jedoch aufgrund seiner Einfachheit auf die Technik mit Walking Papers umgestiegen, da man damit Zeit spart. Setzt man GPS-Wegpunkte, so weisen diese je nach Abschattung und Multipath-Effekten Ungenauigkeiten von bis zu 15 Metern auf, was eine Zuordnung zu den Gebäude in JOSM deutlich erschwert und Zeit frisst. Wenn jedoch, wie in Dessau bis zum 21. November 2012, nur alte, schlecht aufgelöste Bing-Bilder vorliegen, kann man nur das GPS-basierte Verfahren verwenden.

Um schneller in der gesamten Kernstadt von Dessau (d.h. Dessau-Nord, Dessau-Mitte, Dessau-Süd, Alten und Ziebigk) alle Adressen erfassen zu können, kam mir im Herbst letzten Jahres das Studienmodul Projektmanagement in meinem Studium des Vermessungswesens gerade recht. Die Aufgabenstellung “Messen Sie irgendetwas!” interpretierte ich gemeinsam mit den Usern (Kommilitonen) weltvermesserer89, 2170martin und BW12 sehr frei und nutzte sie für die Erprobung einer neuen Mappingtechnik, dem motorisierten Adressmapping.

Dazu fuhren wir vier Ende November 2012 insgesamt drei Stunden mit dem Auto durch Dessau-Ziebigk und Dessau-Siedlung und erfassten mittels Audiomapping alle sichtbaren Hausnummern. In dem Moment, in dem das Auto ein Gebäude mit einer sichtbaren Hausnummer mittig passierte, sprach der zuständige Ansager “Piep” gefolgt von der Hausnummer, wenn es auf der rechten Straßenseite lag, bzw. “Pup” gefolgt von der Hausnummer, wenn es auf der linken Straßenseite lag. Die aufgezeichnete Tonspur wurde mit einem GPS-Track (Garmin Dakota 20, Aufzeichnungsfrequenz 1 Punkt/Sekunde) in JOSM synchronisiert. Gleichzeit wurde ein Video (Blickrichtung nach vorn) aufgezeichnet, aus dem Straßenbeläge, Tempolimits und POIs (meist Zebrastreifen, Briefkästen, Durchfahrtsverbote, Abbiegebeschränkungen und Einbahnstraßen) erfasst wurden. Weil wir mit nur 20 km/h unterwegs waren, konnte fast jeder Piepton einem Gebäude zugeordnet werden.

Die Aufgaben waren wie folgt verteilt und wurden zwischendurch getauscht:

  • Fahrer: nur für das Fahren zuständig
  • Beifahrer: Videoaufnahme und Aufzeichnung des GPS-Tracks
  • hinten rechts: Ansagen der Hausnummer der rechten Straßenseite wie im Folgenden beschrieben und Starten und Stoppen der Tonaufnahme (Smartphone)
  • hinten links (meistens ich): Planung der Fahrtroute, Abbiegeanweisungen für den Fahrer, Ansagen der Hausnummern der linken Straßenseite

In JOSM wurde die Tonspur mit dem GPS-Track synchronisiert und ein Node mit den addr:*-Tags mittig auf jedes Gebäude gesetzt. Auf ein Abzeichnen der Gebäude wurde zu Projektbeginn (Anfang November 2012) verzichtet, da die Bing-Bilder in Dessau damals zu schlecht aufgelöst waren. Man hätte nämlich die Gebäudeumrisse nach Erscheinen der neuen Bing-Bilder (damals nur noch eine Frage der Zeit) alle verbessern müssen und somit unnötige Arbeit geschaffen.

Das Erscheinen der neuen Bing-Bilder am 21. November 2012 brachte die gesamte Projektplanung durcheinander. Die neuen Bilder wiesen eine Auflösung von 15 cm auf, sodass ein Abzeichnen der Gebäudeumrisse und Anbringen der addr:-Tags an den building-Way angeraten war. Es war in meinen Augen der Community gegenüber nicht verantwortbar, weiter nur Nodes zu setzen. Im gesamten Messgebiet, auch dort, wo wir schon fertig waren, zeichneten wir daher alle Gebäude ab und kopierten die addr:-Tags auf den building-Way.

Wie zu Projektbeginn geahnt und eingeplant, waren Nachmessungen nötig. Im Rahmen der Nachmessungen wurden widersprüchliche und uneindeutige Aufzeichnungen geklärt sowie die Adressen in kleinen Stichstraßen erfasst, welche der Wirtschaftlichkeit halber nicht befahren wurden.

Es wurden nur wenige neue POIs und Einbahnstraßenregelungen bei diesem Mappingprojekt erfasst, da diesbezüglich das Gebiet schon recht gut gemappt war.

Zu Präsentationszwecken und einer guten Benotung wegen renderte ich nach dem Projekt noch einen Stadtplan im Maßstab 1:5000 (Format DIN A1) mit einem angepassten Style mit Maperitive.

Mein Fazit

Unabhängig davon, ob brauchbare Luftbilder vorliegen oder nicht, ist eine motorisierte Erfassung von Adressen nicht sinnvoll, da sie gegenüber dem klassischen Adressmapping mit Walking Papers oder GPS keine Zeit- und Genauigkeitsvorteile liefert. Kommerzielle Geodatenanbieter erfassen Adressdaten teilweise zwar auch motorisiert, nehmen jedoch nicht jede einzelne Hausnummer auf und ermitteln die übrigen Hausnummern durch Interpolation. Das ist meiner Meinung nach mit dem Qualitätsanspruch von OSM nicht vereinbar. Wenn hoch aufgelöste Orthophotos vorliegen, ist die motorisierte Erfassung gänzlich ungeeigent, da man zu Fuß genauso schnell ist. Man kann nämlich nebenbei noch die Gebäudenutzung (z.B. Wohnhaus oder Garage) erfassen und man stößt bei der Auswertung seltener auf Widersprüche, wodurch die Nachmessungen eingespart werden.

Die motorisierte Erfassung eignet sich somit nur für kaum kartierte Gebiete, in welchen nicht einmal die Straßenverläufe vorhanden sind, und für Überlandfahrten, bei denen Tempolimits, Durchfahrtsverbote, Straßenbeläge usw. erfasst werden sollen.

EDIT: Keypad Mapper 3 ergänzt EDIT2: Aufzählung besser formatiert

Discussion

Comment from !i! on 23 February 2013 at 19:31

Jup, aus meinern Erfahrungen spricht auch viel für Adress Mappen zu Fuß bzw. mit dem Rad. Ein interessanter Kompromiss wären wahrscheinlich Inline-Skater, da man da geschickter beschleunigen kann :)

Comment from malenki on 27 February 2013 at 16:46

Danke für den interessanten Bericht!

Comment from BFX on 27 February 2013 at 21:33

Ich nutze Audiomapping mithilfe von OSM Tracker meist per Fahrrad, aber auch ab und an per Auto. Ich ziehe dabei ein anderes Fazit. Große Zeit und Genauigkeitsvorteile gibt es nicht, die Genauigkeit ist etwas schlechter, Zeitlich läuft es bei mir auf das gleiche hinaus, die Verteilung ist jedoch unterschiedlich: beim Mappen mit Walking Papers geht mehr zeit für Preprocessing und Datenerfassung drauf, bei Audiomapping ist kein Preprocessing nötig, die Datenerfassung geht schnell, das Postprocessing benötigt allerdings mehr Zeit.

Der Hauptvorteil des Audiomappings ist für mich jedoch die Flexibilität, nicht vor dem losfahren eine Route und ein Gebiet planen zu müssen sondern nach Zeit und Lust vor Ort einfach drauf los zu mappen.

In einem Stadtteil, indem ich sowohl eine Karte hatte und mein Mobiltelefon dabei hatte, habe ich mich auch so für das Audiomapping entschieden.

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