OpenStreetMap

Die Erfassung aller Herforder Stolpersteine - Ein Erfahrungsbericht

Posted by 715371 on 30 May 2013 in German (Deutsch). Last updated on 31 May 2013.

Sicherlich sind Stolpersteine nicht das interessanteste an der OpenStreetMap, doch sie taugen zumindest als Beispiel dafür, dass Kultur und Geschichte in einer digitalen Karte sinnvoll erfasst werden können. In Herford gibt es abgesehen von Hausnummern nicht mehr sehr viel zu erfassen, doch bisher gab es keinen Stolperstein. Ich hatte bisher auch keinen einzigen dort bewusst bemerkt. Einer meiner ersten bewussten Kontakte mit dem Projekt war in Hamburg, wo alle Stolpersteine erfasst sind. In Herford war ich dann rein zufällig über zwei Steine in der Innenstadt “gestolpert”.

Der Holocaust in der eigenen Heimatstadt ist ein ernstes und interessantes Thema - für einen Mapper aber vor allem etwas, das man kartographieren kann. Also begann ich nach ein paar Wochen mit den Vorbereitungen der Erfassung.

Da ich lediglich die Anzahl der Stolpersteine in Herford wusste, nämlich 123, schrieb ich zu aller erst einen Verantwortlichen der Stadt Herford an, um zu erfahren ob es Dokumentiertes Material zu den Stolpersteinen gibt. Gleich am nächsten Arbeitstag um halb neun hatte ich die Antwort und nach ein paar Mails auch die Erlaubnis alles auch woanders noch einmal zu veröffentlichen.

Das Dokumentierte Material bestand aus einer Liste der Stolpersteine, in welcher unter anderem jeder Stolperstein mit einem Foto festgehalten ist, einer Stadtkarte auf der grob die Orte mit den Stolpersteinen eingetragen sind und dem gesamten Projekt “Jeder Name eine Geschichte”.

Nach der Erstellung einer Wiki-Seite beliefen sich meine Vorbereitungen also zunächst darauf, eine GPX-Datei zu erstellen, in der alle Orte, an denen es Stolpersteine geben sollte, als Waypoints markiert sind. Die Namen dieser Waypoint bestanden dann aus Straßenname und Hausnummer der Stolpersteine. Dazu nutzte ich den Dienst von wegeundpunkte.de um zunächst das GPX-File mit den Waypoints zu erstellen. Jeden Wegpunkt habe ich dann mit einem Texteditor mit Namen beschriftet.

Dargestellt werden sollte diese Datei dann mittels OsmAnd auf einem Android Smartphone. Hat ein Waypoint einen Namen, kann man diesen in OsmAnd per touch durch ein Popup erfahren (description- und extension-Tags wie gpx-Dateien bei OpenStreetBugs werden leider nicht unterstützt). Per kürzlich-verwendete-Apps-Menu-Dialog habe ich dann zu OSMTracker gewechselt (OSMTracker bietet die Möglichkeit offline Tracks zu erstellen sowie Foto- und Audioaufnahmen zum Track hinzuzufügen).

Da die Stolpersteine in Herford fast alle im innerstädtischen Gebiet liegen konnte ich einen Großteil nach kurzer Zeit bereits erfassen. Vor Ort habe ich jeweils ein Foto gemacht um nach zu vollziehen wo sich die Steine befinden und eines mit der Anordnung der Steine. Teilweise waren die Steine nicht sehr leicht zu finden und lagen sehr weit ab von den Orten wo ich die Steine vermutet hatte. Bei manchen Steinen hatte mein Vorhaben ein Wenig etwas von Geocaching. Und wie es beim Geocaching so ist, habe ich beim Stolpersteine Erfassen auch einige nicht gefunden. So sind nun 113 von 123 erfasst (Alle nicht gefundenen sind entsprechend im Wiki dokumentiert).

Den persönlichen Wert dieses Projektes würde ich tatsächlich für größer einschätzen, als er bei anderen Dingen ist, die man so mapt. In Herford scheinen die Bürger jüdischer Abstammung mehrheitlich innerhalb der damals bereits abgetragenen und neu bebauten Wallanlagen gewohnt haben. Solche Opfer wurden oft mit ihrer ganzen Familie deportiert - manchmal auch etappenweise. Das jüngste Kind, dessen Stolperstein ich erfasst habe, wurde 1937 geboren und 1942 deportiert. Politische Opfer und solche mit angeblicher Behinderung lebten eher am historischen Stadtrand und waren die einzigen Opfer in ihrer Nachbarschaft.

Durch die Beschäftigung mit den Veröffentlichungen zu “Jeder Name eine Geschichte” hat sich der persönliche Bezug durchaus verstärkt. Leider ist die Qualität der Daten und die Form der Veröffentlichung nicht Internetfähig (Auf der Wiki-Seite unten sind die entsprechenden Dokumente verlinkt). Aktuell sind alle vorhandenen Biografien und anderes zu den Personen einzeln abrufbar auf meinem Rechner - jedoch nur in eingescanter Form vorhanden.

Vielleicht wäre für eine Deutschlandweite Unterstützung ein Stolperstein-Wiki sinnvoll in dem Biografien zu Nazi-Opfern, deren Quellen, Verlinkungen auf Verwandte und anderes gesammelt wird. Kleinere Kommunen hätten dadurch einen großen Vorteil.

Und dann ist da noch die Idee zu einer neuen Karte, die die Stolpersteinerfassung hervorgebracht hat: Eine Karte auf der der letzte frei gewählte Wohnort eines Opfers (Stolperstein) und der letzte bekannte Aufenthaltsort bzw. Ort der Ermordung durch einen Vektor verbunden werden. Durch die einzelnen Stationen nach der Deportation würde die anonyme Geschichte der vielen Menschen, die aus den verschiedensten Orten aus ganz Deutschland und anderswo an einen Ort kamen vielleicht ein Stück erfassbarer werden. 123 ist bloß eine Zahl, die man sich erst vorstellen und mit Inhalt verbinden muss.

Ausblick (OpenStreetBugs): Um OSM-Bugs produktiver zu lösen, könnte man obiges Vorgehen anwenden: Man exportiert einen Kartenausschnitt als GPX-Datei, bringt sie (am besten mittels Skript) in die Form

<gpx><wpt lat="52.11728447975376" lon="8.660573959350586"><name>Hier fehlt ein Stolperstein an Adresse Diebrocker Str. 6</name></wpt></gpx>

und Ruft sie dann, sobald man in der Nähe ist und Lust hat, in OsmAnd ab und erstellt einen Track.

Referenzen:

http://wiki.openstreetmap.org/wiki/Herford/Stolpersteine

http://www.wegeundpunkte.de/touren_erstellen.php

http://osmand.net/

http://code.google.com/p/osmtracker-android/

http://www.netzwolf.info/kartografie/osm/stolpersteine?zoom=14&lat=52.11552&lon=8.67381&layers=B0T

Location: 32052, Nordrhein-Westfalen, 32052, Deutschland

Discussion

Comment from aseerel4c26 on 31 May 2013 at 01:19

Danke schön, interessant!

Comment from HolgerDe on 11 June 2013 at 15:58

Super finde ich gut! Daumen hoch!

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