Hausnummern mappen und "Internetverweigerer"
Posted by Maximilian T on 28 May 2013 in German (Deutsch).Der letzte Blogeintrag ist sehr lange her, ca. 4 Jahre ist er her… In den letzten Jahren hab ich nur noch ab und zu etwas für OSM gemacht, da meine Heimatstadt von den Straßen bereits komplett gemappt ist. Aber nun bin ich auf die Idee gekommen auch mal die Hausnummern in der Stadt bzw. vor allem auf dem Land zu mappen und zu kontrollieren. Auf dem Land sind bereits einige Hausnummern eingetragen, aber mindestens eine Hausnummer scheint doppelt vorhanden zu sein, weshalb eine Überprüfung ansteht. Aber auch in der Stadt könnte es Sinn machen Hausnummern einzutragen.
Es ist schön mal wieder mit GPS durch die Straßen zu laufen oder zu radeln, wenn es da nicht vehemente “Internetverweigerer” gibt. Ich laufe gemütlich durch die Straße mit einem Bleistift, einem Notizbuch und dem GPS-Gerät natürlich. Eine ältere Dame lehnt auf der Fensterbank und schaut mir komisch hinterher, wie ich vor jedem Haus stehenbleibe und etwas ins Buch kritzle, soweit so gut. Aber In einer kleinen Stichstraße für 3 Häuser wird scheinbar Kindergeburtstag gefeiert. Ich bin also nicht aufdringlich und laufe gar nicht erst bis zur Einfahrt des Hauses, wo gefeiert wird und mache meine 3 Punkte im GPS-Track. Als ich gerade dabei bin aus der Straße wieder rauszugehen, spricht mich einer der Erwachsenen an und fragt was ich denn hier mache. Ich antworte ihm: Ich laufe hier die Straßen entlang und notiere mir die Hausnummern um sie dann bei einer freien Karte im Internet einzutragen. Kaum war das Wort Internet gefallen antwortet er plötzlich gereizt: “Von sowas halten wir nichts. Wir wollen nichts im Internet haben.” Tja, auch der Versuch ihm zu versichern, dass es sich lediglich um die Hausnummern handelt, die ja schließlich (meistens) für jeden sichtbar am Haus angebracht werden, rückt er partout nicht von seiner Abneigung zum Internet ab. Er meint ich dürfe das nicht machen und die Familie will ihre Privatsphäre geschützt wissen. (Obwohl ich nicht genau weiß was eine ÖFFENTLICH sichtbare Hausnummer mit Privatsphäre zu tun hat.)
Ich hab mir dann gedacht: “Ach, was soll es. Sich jetzt zu streiten raubt dir nur den Spaß an der Sache und ist der Mühe nicht wert.” Ich biete ihm also an die Hausnummer in meinen Notizen durchzustreichen und auf die Eintragung zu verzichten (mehr Arbeit macht mir das ja nicht…) und erkläre ihm dann, dass ich auch einen Punkt mit dem GPS-Gerät gemacht habe und lösche den Punkt vor seinen Augen. Das hat ihn dann auch zufriedengestellt und er ist gegangen. Immerhin hat er dann sogar mein “Auf Wiedersehen” erwidert.
Es gibt schon merkwürdige Menschen, ich trage ja nicht etwa die Nachnamen an den Klingelschildern ein, sondern nur die Nummern. Somit kann einer Hausnummer doch nur eine Koordinate zugeordnet werden. Dass die Hausnummer nun also nicht eingetragen ist, hilft ihm wahrscheinlich nur etwas, wenn er einen Raketenangriff auf sein Haus fürchtet… Ich gehöre ja auch zu den Leuten, die ihre Privatsphäre gerne geschützt sehen, und für starke Bürgerrechte (z.B. im Bezug auf die EU-Datenschutzreform) einstehe, aber Hausnummern? Was soll es, der Mann ist die Mühe nicht wert…
Solche Leute können einem fast den Spaß an der Sache verderben, aber dazu macht es einfach zu viel Spaß. :) Morgen ist eine andere Straße dran…
Discussion
Comment from Nakaner on 29 May 2013 at 09:26
Hallo Maximilian,
von Anwohnern bin ich auch schon beim Mappen angesprochen worden. Meistens habe ich aber einen Flyer dabei und vermeide im Gespräch gewisse Reizwörter. Reizwörter sind: * Internet * Datenbank (klingt ganz böse) * Geodaten (da steckt Daten drin) * Streetview (kommt von Google) * Adresse (ist ein Datensatz)
Andere Mapper haben beobachtet, dass es von Vorteil ist, ein Art hoheitliche Aura zu verbreiten. Deshalb ist es in Wohngebieten mit Einfamilienhäusern und auf Dörfern (Gebiete mit Plattenbauten sind harmlos, da juckt es die Leute nicht, wer vorbeiläuft) empfehlenswert eine Warnweste (am besten eine neongelbe) zu tragen. Es sieht zwar ein wenig komisch aus, aber die Leute trauen sich dann nicht mehr, dich anzusprechen.
Wenn ich angesprochen werde, läuft es oft so ab:
Anwohner: Guten Tag, was machen Sie denn da?
Mapper: Ich erfasse für einen Kartendienst die Lage von Hausnummern entlang einer Straße.
In den meisten Fällen endet hier schon das Gespräch. Wenn nicht erkläre ich, dass ich für OpenStreetMap arbeite und dass aus den OSM-Daten Karten für Navis erzeugt werden. (Navis klingen gut, sind nützlich und in vielen Autos)
Falls du ein Android-Smartphone hast, würde ich an deiner Stelle mal Keypad-Mapper 3 ausprobieren. Mit Keypad-Mapper 3 vereinigst du das Setzen von Wegpunkten und die Aufzeichnung der Hausnummer (plus Angabe, ob rechts, links oder in Laufrichtung vorne) in einem Gerät. Du kannst deutlich schneller laufen. Bis die Anwohner gecheckt haben, dass du da bist, bist du wieder weg. Heutzutage fällt es ja auch nicht auf, wenn du beim Laufen dauernd auf dein Smartphone schaust. Siehe dazu auch meinen Erfahrungsbericht.
Wegen der rechtlichen Sache, brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Du bist (hoffentlich) nur auf öffentlichen Straßen und Wegen unterwegs, also kann man dir nicht mit Hausrecht und Hausfriedensbruch kommen. Die Hausnummer (nicht die Namen der Bewohner!) zählt nicht zu den personenbezogenen Daten. Eine Hausnummer wird in Deutschland von der Gemeinde vergeben und einem Grundstück zugeordnet. Es ist also eine Festsetzung von amtlicher Seite. Alle Hausnummern sind im amtlichen Liegenschaftskataster erfasst (ebenso wie Flurstücksgrenzen, Hausumrisse und Namen der Eigentümer). Nicht personenbezogene Daten des Katasters (also alles außer Eigentümerangaben) kann jeder gegen Gebühr beim zuständigen Vermessungsamt erhalten. (Das Einpflegen in OSM ist i.d.R. nicht erlaubt). Amtliche geokodierte Adressen werden für ganz Deutschland zentral von der Abteilung 7 der Bezirksregierung Köln (aka Geobasis NRW) vertrieben. Dort kann man einen Datensatz kaufen, der jeder Adresse (Adresse im Sinne von einem Datensatz, der Hausnummer, Straße und Gemeinde enthält) eine Koordinate zu ordnet. Die Koordinate liegt i.d.R. im passenden Grundstück.
Viele Grüße
Michael
PS Kennst du die Erfassung von Adressen mit Walking-Papers?
Comment from Maximilian T on 29 May 2013 at 14:21
Hallo Michael!
Danke für deinen ausführlichen Kommentar dazu.
Ich hab mir jetzt auf jeden Fall auch mal die Flyer gesucht und werde sie das nächste Mal mitnehmen um sie gegebenenfalls an Nachfragende zu verteilen. Und “Internet” werde ich wahrscheinlich auch niemals mehr auch nur in den Mund nehmen, wenn Anwohner fragen. Zumindest nicht solange sie misstrauisch sind. ;) Navi als Stichwort einzubringen, ist eine gute Idee. Mit Navi assoziieren die meisten Leute etwas positives, anders als mit Internet. Das die eigenen Daten auf dem Navi zwar so sicher sind wie im Internet, tja… daran denken im ersten Moment die wenigsten.
Vielleicht ziehe ich das nächste Mal dann auch eine Warnweste an. Mal sehen… :)
Ein Android-Smartphone hab ich nicht, aber ich bin mit dem GPS-Gerät und dem Büchlein eigentlich ganz zufrieden. Da kann man auch schnell noch Zusatzinfos eintragen und überarbeiten. Die Software auf dem GPS-Gerät ermöglicht es zwar auch Wegpunkten Namen zu geben, aber das ist (trotz Touchscreen) zu umständlich. Bisher war es ja eh nur der eine Herr, der mich angesprochen hat. Ich muss mal schauen, ob ich das Eintragen ins Buch noch etwas schneller machen kann, bisher bleibe ich dafür praktisch vor jedem Haus kurz stehen. Ich hab schon daran gedacht, die Hausnummern mit einem Diktiergerät aufzunehmen oder so, bin mir aber noch unschlüssig darüber. Das würde im Zweifelsfall ja doch nur mehr Aufmerksamkeit auf mich ziehen, obwohl das dann in Verbindung mit einer Warnweste und dem Hinweis Kartendienst bestimmt gut aufgehen würde.
Die Hausnummern mit einem Walking-Paper ohne GPS einzutragen ist mir eigentlich nicht genau genug und ich müsste dann ja auch noch eine Unterlage mitschleppen. Ein Klemmbrett habe ich zwar, aber das Büchlein passt einfach in die Hosentasche und ist dann nicht mehr im Weg.
Ich mache mir rechtlich momentan keine großen Sorgen, da bin ich bisher auf der sicheren Seite. Manchmal muss ich nur mal eine Einfahrt hochlaufen um die (viel zu kleine) Hausnummer besser lesen zu können, da komme ich nicht drum herum, wenn ich die Hausnummer erfassen (und nicht irgendwo unerlaubt abschreiben) will. Ich könnte zwar auch ein Fernglas mitnehmen, aber das würde wahrscheinlich sehr merkwürdig rüberkommen. Mal ganz zu schweigen von Häusern ganz ohne Hausnummer. Meistens kann man die aber erraten. :)
Wo ich die Daten unerlaubt bekomme, weiß ich ja: TIM-online. Aber das ist ja 1. nicht erlaubt (im Zweifelsfall würden die Daten dann wahrscheinlich von OSM gelöscht und ich hätte mächtigen Ärger am Hals…) und 2. müsste ich dafür ja auch gar nicht an die frische Luft.
Viele Grüße, Maximilian
Comment from HannesHH on 1 June 2013 at 12:06
Mein Spruch war immer “ich pflege Hausnummern für Navigationssysteme ein, damit sie nicht nur zu einer Straße geleitet werden, sondern wirklich zu dem Haus, zu dem sie wollen”. Das kam eigentlich immer gut an. Offensiv die Leute ansprechen, die man zB im Garten oder gerade an der Pforte trifft kam sehr gut an, “bevor sie sich wundern, was ich hier mache, blabla”.
Comment from MKnight on 5 June 2013 at 23:00
Lustige freie Bedingungen haben die da:
Man kann denen also ohne Kosten Fehler in ihren Daten melden? Guter Dienst, werde ich mir merken.
Comment from seasack on 6 June 2013 at 07:11
Vielen Dank für die Erfahrungsberichte! Nur ein kurzer rechtlicher Kommentar: Die Hausnummer ist in meinen Augen sehr wohl ein personenbezogenes Datum, vergleichbar einem Autokennzeichen. Die Verarbeitung ist aber wohl zulässig, da es sich um allgemein zulässige Daten handelt (vgl. §§ 28, 29 BDSG).
Comment from Nakaner on 6 June 2013 at 13:22
Am 29. Mai 2013 um 14:21 schrieb Maximilian T:
Mit einem Diktiergerät fällt man meiner Meinung nach ähnlich stark auf wie mit einer Digitalkamera.
Walking-Papers sind zur Hausnummernerfassung nur geeignet, wenn man vorher alle Gebäude eingezeichnet hat. An deiner Stelle würde ich, bevor ich rausgehe, zuerst in JOSM/Potlatch/iD nachschauen, ob die Gebäudeumrisse auch der Realität entsprechen. Wenn die Gebäude von den alten Bing-Bildern abgezeichnet worden sind, sind die Umrisse mehr geraten als realitätsnah.
Wenn du Lust hast, kannst du neben den Hausnummern dann vor Ort auch wie im Kataster die Gebäudennutzung (Garage, Wohnhaus, Betriebsgebäude, Büro usw.) erfassen. Du benötigst dann jedoch länger.
Das Klemmbrett verstaue ich auf dem Weg zum Einsatzort in einem kleinen Rucksack, den ich während des Mappens auf dem Rücken trage.
Übrigens, einen Alternative zu Walking Papers ist mein Cadastre-Style. Es handelt sich dabei um einen Style für Maperitive, der für das Adressmapping optimiert ist.
Comment from Steffen van Bergerem on 6 June 2013 at 16:06
Am 29. Mai 2013 um 14:21 schrieb Maximilian T: > Wo ich die Daten unerlaubt bekomme, weiß ich ja: TIM-online. Aber das ist ja 1. nicht erlaubt (im Zweifelsfall würden die Daten dann wahrscheinlich von OSM gelöscht und ich hätte mächtigen Ärger am Hals…) und 2. müsste ich dafür ja auch gar nicht an die frische Luft.
TIM-online ist tatsächlich ein ganz guter Tipp. Ich habe den Dienst häufig verwendet, um vor der Mappingtour die Hausnummern aufzuschreiben, die in OSM noch fehlen. So passiert es deutlich seltener, dass man mal eine Hausnummer übersieht.
Comment from katze_sonne on 7 June 2013 at 18:26
Haha, nette Erfahrungen hast du da :D
Also ich mach’s immer mit der iPhone App “OSMPad” - anfangs muss man sich zwar ein wenig an die für ein iPhone ungewöhnliche Bedienung gewöhnen (kein Multitouch-Zoom, Marken werden nicht durch langes draufdrücken gesetzt, sondern durch verschieben des gewünschten Kartenteils in die Mitte unter das “Zielkreuz” usw.), aber dann stellt sich die App als sehr effizient und empfehlenswert heraus. Auch das Übertragen der Daten auf den PC ist nachher sehr effizient, da die Straße, Stadt usw. schon in der *.osm-Datei enthalten sind.
Ich star also wie “so ein typischer Jugendlicher Handyjunkie” auf mein iPhone und schaue ab und an ganz unbeteiligt in der Gegend rum (und schaue dabei auf die Hausnummern). Damit kann ich ca. 99% der Hausnummern ziemlich gut und genau erfassen ohne aufzufallen (manchmal, wenn ich mit dem Eintragen zu langsam bin, bleib ich auch kurz stehen, so als wäre ich irritiert von dem, was mein Handy anzeigt). Also bisher wurde ich mit meiner Methode (die eigentlich glaube ich sogar noch schneller geht als handschriftliches Notizen machen) nie gefragt oder auch nur schief angeschaut. Naja, vielleicht war auch das Wetter Schuld… es hat ja fast immer geregnet, genieselt oder sah zumindest danach aus ;) Aber auf Einfahrten bin ich nie gelaufen. Wenn die Leute ihre Hausnummern so anbringen, dass ich sie (ohne Brille) von der Straße aus nicht lesen kann - und das kann ich bei ca. 97% - haben sie Pech gehabt. Obwohl man ja in manchen Fällen auch einfach im Kopf die Lücke füllen kann ;) Nur a, b und c und sowas finde ich immer doof, da muss ich dann immer schätzen.
Tja, wie auch immer: Ich kenne diese Leute, für die “das Internet” irgendwie nur was “Böses” sein kann. Ich musste gerade etwas schmunzeln, als ich mir überlegt habe, dass das einerseits vermutlich genau diese Leute sind, die Google Maps nutzen (und es gewohnt sind, an die richtige Hausnummer gelotzt zu werden), andererseits aber was gegen OSM-Mapper haben -.- Tja, manchen Leuten kann man es halt nie recht machen ;) (ich hoffe, dass du seine “durchgestrichene” Hausnummer trotzdem eingetragen hast, einfach schon aus Prinzip, oder?) :D
Achja, mir fällt gerade noch eine gute Tarnung ein: Du musst Zeitungsausträger werden, dann fragt dich keiner, was du auf seinem Grundstück machst ;)
Comment from katze_sonne on 7 June 2013 at 18:30
Kleine Ergänzung: OsmPad gibt’s wohl auch für Android! :)
Comment from Emploi on 23 June 2013 at 10:21
Ja, leider kenn ich das auch, für den Großteil meiner Familie ist Internet Neuland und wird es wahrscheinlich auch bleiben. Für den anderen Teil besteht Internet aus google und facebook.